Deutscher Betriebsrätetag 2017 in Bonn

BETRIEBLICHE ÖFFENTLICHKEITSARBEIT FRECHER; PFIFFIGER; WIRKSAMER – ABER WIE UND WARUM?
Worum geht es überhaupt?

An sich wollen wir alle KollegInnen mit unseren Informationen erreichen. Richtig mutige Betriebsräte wollen sogar etwas bewegen, verhindern, Neues auf den Weg bringen. Es geht also nicht darum, nur die Betriebsratsarbeit zu „verkaufen“.

Es geht um einen gleichberechtigten Dialog mit der Belegschaft. Form und Inhalt der Kommunikation müssen geprägt sein von dem Respekt gegenüber den KollegInnen und ihren Erfahrungen, ihrer Kompetenz.

Wir entwickeln Ideen zu Aktionen, Medien und Strategien auf der Grundlage von Erkenntnissen über alltägliches Lernen, zur alltäglichen Kommunikationskultur, auf der Grundlage von Erkenntnissen über alltägliches Verhalten, zu unseren Reaktionen auf Licht, Bewegung, auf (direkte) Ansprache.

Wir beraten und begleiten die Kommunikationsarbeit von Betriebs- und Personalräten, von Ministerien, Kommunen, Organisationen, Einrichtungen u.a.m. Auch bei notwendigen Strategien und Kampagnen.

Leitgedanke dabei ist immer, dass es auch mit deutlich weniger Finanz-, Zeit- und Personalaufwand geht. Nicht Sparsamkeit steht dabei im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, auf diese Weise schneller und häufiger kommunizieren zu können, so deutlich mehr KollegInnen aktiv einbeziehen zu können, die sonst nicht mitmachen wollen, weil sie zu großen Respekt vor möglichen Fehlern, den Hürden der Software und Grafik, der Sprache überhaupt haben.

Was müssten wir kommunizieren?

Zu kommunizieren gibt es für Betriebsräte genug. Es gibt deutlich mehr zu tun, als nur über die Betriebsratsarbeit zu informieren. Es gilt z.B. bei Betriebsratswahlen die Bedeutung der Wahl bewusst zu machen, die Herausforderungen der nächsten Jahre vor Augen zu bringen, die Personen als kompetent, sympathisch und engagiert zu vermitteln.

Betriebsräte sollten wirklich jede Kollegin und jeden Kollegen erreichen, wenn es darum geht, über (mögliche) Veränderungen im Betrieb zu informieren. Sie sollten jede Kollegin und jeden Kollegen erreichen, wenn es um Informationen geht, die den Alltag der Beschäftigten betreffen, den Alltag beginnend vom Aufstehen bis zur Bettruhe.

Erreichen wir die Kolleginnen und Kollegen überhaupt?

Und wie sieht die alltägliche Praxis der Kommunikation in den meisten Betrieben aus??? Dicke Trauben von KollegInnen stehen vor dem Schwarzen Brett? Schon beim Kaffee gehen die KollegInnen auf die Internet-/Intranetseite des Betriebsrates und der Gewerkschaft? Man reißt den KollegInnen förmlich die Flugblätter aus der Hand und redet wochenlang über die spannenden Tagesordnungspunkte der Einladung zur Betriebsversammlung?

Oder macht man es doch eher so wie immer? Macht man es wie immer, hat man auch keine lästigen Diskussionen über drohende Neuerungen am Hals.

Geht es auch mal etwas locker?

Allein schon die Sprache der betrieblichen Information ist für die KollegInnen oft ein Genuss. Da geht es um die „Verdichtung von Arbeitsplätzen“, sollen sich „Krankrückkehrer“ pünktlich melden. KollegInnen sind begeistert von einer Kommunikation, die man nicht selten zwischen der eines Beerdigungsinstitutes und einer Anwaltskanzlei ansiedeln könnte. Locker und freundlich ist nur selten Alltagspraxis.

Dabei ist es seit vielen Jahren so, dass eine dialogischere, einbeziehendere, emotional ansprechendere Kommunikation bei den Menschen deutlich besser ankommt. Man kann Menschen eben für ein Engagement „gewinnen“, hauen wir ihnen nicht lieber eine Liste von Argumenten um die Ohren?

Wir beobachten alle, mit welcher Freude unsere KollegInnen oft zu Dritt kleine Videoclips auf einem winzigen Handy anschauen, mit welch frechem, witzigem, fast schon Sarkasmus Probleme des Alltags kommuniziert werden. Wir Menschen sind eben nicht „staubtrocken“.

Man könnte aus der Kommunikations- und Strategieerfahrung der Menschen lernen – oder?

Eine private Einladung „II. Familienfeier 2018. Sei dabei! Dein Sohn“ ist undenkbar, sprachlich ist das leider in vielen Betrieben eher Alltagspraxis. Wir listen Argumente und Fakten auf. Im Alltag würden wir das im Privaten eher zeitlich gestuft, in kleinen Häppchen, nur in freundlicher Atmosphäre angehen.

Im Alltag würden wir keinesfalls immer nur selber sagen, dass wir richtig gut sind. Zu schnell würde das als Eitelkeit ausgelegt. Da schickt man doch lieber seinen Freund mit dem Hinweis hin: Sag nicht, dass Du von mir kommst.

Warum lernen wir nicht aus der Strategie- und Kommunikationserfahrung von Menschen? Müssen wir wirklich mit Schlagwörtern um uns schlagen, mit Slogans KollegInnen traktieren? Wir müssen doch keine Kampagne für Deutschland gestalten, eher eine Kommunikation unter unseresgleichen mit Menschen, die wir häufig sogar persönlich kennen.

Ist die Kommunikationsarbeit in Zeiten vielfältigster Medien eigentlich noch wichtig?

Machen wir uns nichts vor: Immer weniger Menschen lesen täglich eine Tageszeitung. Bereits heute ist es die Minderheit. – Die KollegInnen lesen im Netz nur mal hier und da einen Vierzeiler und gehen eben in der Masse nicht auf die Internetseiten der Gewerkschaften und ihrer Institute. Sie sehen nicht jene Fernsehsender, die 12-16 % Politikanteil im Programm haben, eher jene mit 1-2 %, jene, bei denen Informationen rund um das Arbeitsleben nur am Rand vorkommen.

Es wird immer wichtiger, dass in den Betrieben und Verwaltungen grundlegend über das Arbeitsleben informiert wird, über meine Arbeitsrechte, über Möglichkeiten, wenn Nachwuchs ansteht, Oma gepflegt werden muss, über Weiterbildungsmöglichkeiten und Gesundheitsprävention, über Gleichstellung und Toleranz, über Armutsrisiken und deren Bewältigung und Nahverkehr, über das Problem Wohnen in Ballungsräumen und planbare Bezahlung, über Engagementsmöglichkeiten und deren Bedeutung.

Wir haben viel ins Gespräch zu bringen, sollten dabei andere Wege gehen – oder?

Natürlich kann man seitenweise Infos ans Schwarze Brett hängen, bunte, kreative Plakate aufhängen, per Powerpoint im Design der Firma Infos in der Betriebsversammlung vortragen. Aber haben wir uns mal die Wirkung angesehen? Erreichen wir wirklich alle? Erreichen wir wirklich auch jene, für die nur zu oft die genannten Infos von erheblicher Bedeutung wären? Beziehen wir genau diese KollegInnen wirklich in einen Kommunikationsprozess ein?

Mit einfachsten Techniken könnte man sogar traditionelle Instrumente der betrieblichen Kommunikation aufpeppen. Dabei geht es nicht um Kreativität! Eine bunte, kreative Gestaltung wird in den meisten Fällen sogar eher zum Problem werden, weil sie wiederum als alltägliche Werbung wahrgenommen wird. Eine kreative Gestaltung vermittelt auch den Akteuren und jenen KollegInnen, die überlegen, ob sie mal mitmachen, dass dies nur mit erheblichem Zeitaufwand, mit Kenntnissen von Grafik, Sprache, Software möglich ist.

Man könnte eben auch äußerst spartanisch gestalten, um mehr KollegInnen die Möglichkeit des Mitmachens zu ermöglichen, um selber auch schneller und häufiger kommunizieren zu können, trotz zunehmender Belastung am Arbeitsplatz.

Wie könnte eine ganz andere Kommunikationsarbeit im Betrieb aussehen?
  • Schwarze Bretter würden ihre Aufmerksamkeit finden, wenn es Aushänge gäbe, die vielleicht sogar als Hingucker zunächst nur ein Wort anbieten, von dem der Text darunter gleich wieder Abschied nimmt und zum eigentlichen Punkt kommt.
  • Ein Post-It am Spiegel oder gar am Auto wird kaum übersehen und könnte von dem Anliegen des Betriebsrates erzählen.
  • Flyer könnten auf den ersten Blick eine Frage anbieten, über die man gleich nachdenkt.
  • Kandidatenplakate zur Betriebsratswahl könnten mit Fotos aus dem Leben und freundlichen Texten zum Hinsehen einladen und auf „Fahndungsfotos“ und Parolen verzichten.
  • Betriebsversammlungen könnten schon durch spannende Einladungen zu dem Gespräch im Haus führen.
  • Bodenpunkteserien könnten bereits am Eingang mit dem KollegInnen ins Gespräch kommen.
  • Infowürfel auf dem Autodach sind schnell gemacht und erzählen von dem, was für die Betrachter wichtig ist.
  • Werbefiguren können ohne Aufwand dem Betrachter von dem Anliegen des Betriebsrates berichten.
  • Figuren und Installationen sind vielleicht DIE Unterstützerinitiative des Betriebsrates, wenn es sogar um Arbeitssicherheit und Gesundheitsprävention geht.

Es gibt pfiffige Formen der aktiven Einbeziehung ALLER KollegInnen und das sogar unter Verzicht auf klassische Umfragen. Wichtig ist aber eben die aktive Einbeziehung aller und die spätere Kommunikation erster Meinungstrends.

Müssen es wirklich auch mal Neue Medien sein?

Wir leben in einer „Bildergesellschaft“. Allein das spricht schon dafür, von kleinsten Aktivitäten immer auch Fotos zu machen und die über alle denkbaren Wege zu kommunizieren. Es bieten sich dann eben soziale Netzwerke, die alte SMS, die Übermittlung per E-Mail, das Einstellen auf der Intranetseite und der Aushang von selber an.

Berücksichtigen muss man, dass die KollegInnen sehr unterschiedliche Medien nutzen. Es bedarf also eines „Medienmixes“, der ebenso spannend und dialogisch, einbeziehend gestaltet wird.

Kann man mit Kommunikationsinstrumenten etwas bewegen?

Betriebliche Öffentlichkeitsarbeit darf sich nicht auf die Information über Betriebsrats- oder Gewerkschaftsarbeit reduzieren! Sie kann zu einem wichtigen Instrument zur strategisch gestuften Durchsetzung von Zielen werden.

Veränderungsprozesse in Sachen Gesundheitsprävention können ebenso nachhaltig kommuniziert werden, wie Konzepte zur Arbeitszeit, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber eben auch eine Betriebs- und Personalratswahl.

Allein mit Kommunikationsinstrumenten kann man oft schon etwas bewegen. Wenn Gott und die Welt drüber spricht, bekommt ein Thema, ein Ziel, zusätzliches Gewicht.

Wie kommt man an die Ideen?

Es gibt ganz unterschiedliche Wege, um in Betrieben eine veränderte, dialogischere Kommunikationsarbeit Wirklichkeit werden zu lassen.

Wichtig ist zunächst, es überhaupt zu wollen. Die alleinige Information über alternative Wege der betrieblichen Öffentlichkeitsarbeit reicht in der Regel nicht, ist aber schon ein erster Schritt, um die Akzeptanz für solche Wege zu schaffen.

Wir empfehlen meist einen sehr vorsichtigen, sehr langsamen Einsatz erster Instrumente in kleinsten „Stückzahlen“ und das immer wieder: Es gilt, einen Prozess anzugehen, nicht eine Aktion hinter sich zu bringen.

Wir bieten Betriebs- und Personalräten die Möglichkeit, diese Ideen und Überlegungen auf unterschiedlichste Weise kennen zu lernen:

  • Denkbar ist der kurze Input im Rahmen einer Betriebsratssitzung.
  • Wirksamer ist der Inhousetermin zur Präsentation und ersten Überlegungen zur Anwendung.
  • Nachhaltig ist die mehrtägige Fortbildung mit Liveerprobung verschiedenster Instrumente unter realen Bedingungen und die anschließende Begleitung bei der Umsetzung per Telefon-/E-Mailberatung.

Alle diese Wege sind rechtlich für Betriebs- und Personalräte an sich in Bezug auf die Finanzierung kein Problem. Möglich ist auch die Durchführung in Trägerschaft der bekannten Bildungseinrichtungen der Industriegewerkschaften, mit denen wir viele Jahre kooperieren.

Ein Weg findet sich immer.


Bei der Realisierung kleinster Aktionen und Medien kann ein Blick auf die Internetseiten www.nafroth.com und www.aktionsideen.com helfen. Hier werden viele Ideen beschrieben und manch erforderliches Material, bis zur thematisch exakt auf den eigenen Bedarf zugeschnittenen Aktion, angeboten.

In jedem Fall sollten die Aktivitäten allen auch etwas Spaß machen, den Aktiven und den AdressatInnen.

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